„Texte zum Kunsthandel 1933-1945“ heißt, dass es hier wissenschaftliche Aufsätze zu lesen gibt, die ich als Historikerin über meine Arbeiten zum Kunsthandel im Nationalsozialismus am Beispiel des Auktionshauses Hans W. Lange 1937-1945 in Berlin, geschrieben habe.
Die einzelnen Seiten geben eine kurze Einführung zur Frage, die ich untersucht habe, und eine kleine Übersicht zu den Ergebnissen. Bei der Zusammenfassung der Publikationen versuche ich auch die Forschungssituation im Blick zu halten. Die Reihe der Arbeiten bildet inzwischen ab, wie sich aus den Fragen zu einem Auktionshaus und Untersuchungen zu Enteignung und Beraubung der Verfolgten hinaus stetig auch solche zum Berufsstand und Kunstmarkt im Nationalsozialismus entwickeln.
Ein früher Aufsatz von 2009 bildet mit einer exemplarischen Untersuchung zu einem Gemälde aus einer großen Privatsammlung die erste Annäherung an das Berliner Auktionshaus ab, das überall erwähnt, doch nicht untersucht war. In der Geschichte des Gemäldes kollidierte die Einschätzung als Beutegut aus dem besetzten Frankreich mit einer Verwertung ‚unter der Hand‘, die nach der Beschlagnahme ansetzte, und hinderte anhaltend eine Aufklärung.
Der Anlass, eine eigene Webseite aufzusetzen, waren zwei Aufsätze zu diesen Themen, die ich für Sammelbände verfasste, die Bände folgend aber nicht publiziert wurden. Um den Forschungskontext wiederherzustellen, gibt es sie seit 2016 hier zu lesen.
Der eine von 2011 eine gibt eine Übersicht über die Kundengruppen Hans W. Langes (1904-1945), über Möglichkeiten und Ergebnisse solcher Ermittlungen, die, selbst wenn sie jetzt weit zurückliegt, noch nützlich und weitgehend gültig ist.
Der zweite nicht gedruckte Aufsatz von 2013 behandelt die Frage der „Arisierung“ des eingeführten Auktionshauses, das Lange 1937 von dem in die Emigration gezwungenen Paul Graupe übernahm. Graupe arbeitete mit einer Sondergenehmigung zunächst als Auktionator weiter. Ein großer Auftrag bot die Gelegenheit, der wachsenden Gefährdung mit einer geplanten Übernahme durch den langjährigen Geschäftsführer zu begegnen, die mittels einer namhaften Auktion ins Werk gesetzt wurde.
Grundlegende Einblicke in die Verfahren der Verwertung geraubter Güter, die die Finanzbehörden des Regimes arbeitsteilig betrieben, geben zwei Aufsätze mit Einzelstudien zu Verfolgten der NS-Diktatur.
Der erste Aufsatz von 2018 zeigt nach der separaten Enteignung der Emigranten, wie die Vermögensverwertungsstelle verschiedene Vertriebswege nach Art der anfallenden Objekte bediente, anhand eines umfangreichen Aktenmaterials hier exemplarisch analysiert. So zeigt sich, dass der Weg einzelner Güter davon bestimmt wurde, wer diese nach der Vereinnahmung zuerst an die Hand bekam und wie darüber entschied – was die Chancen jeder Aufklärung nachhaltig beeinflusst.
Der zweite Aufsatz von 2018 ist mein persönlicher Beitrag zu „20 Jahre Washington Principles“. Es brauchte zehn Jahre, bis das Gemälde im Mittelpunkt zwischen verschiedenen Beteiligten auf seine Herkunft bestimmt werden konnte. Daher sind die überlagernden Schichten beschrieben, von der Lebensgeschichte einer verfolgten Berlinerin über den Entzug ihrer Sachen vor Deportation, der Verwertung von Objekten durch die Finanzbehörden, die Verhandlungen in der Wiedergutmachung, schließlich die Ebene heutiger Ermittlungen, um die Ursachen aufzuzeigen.
Eine Untersuchung von 2019 fasst Beobachtungen zur Entrechtung und Vertreibung der ,jüdischen‘ Kunsthändler zusammen. Die im Propagandaministerium entworfene, neu gebildete Berufsorganisation, die Reichskammer der bildenden Künste, nutzte Formeln der Gewerbepolitik, um den Ausschluss dieser Händler im Spätsommer 1935 durchzusetzen. Der Kammerausschluss entzog den Relegierten die Arbeitserlaubnis und bedeutete ein Berufsverbot. Das wird hier auf die Mittel, Statistik und die Möglichkeiten für die Einzelnen betrachtet, dagegen noch vorzugehen.
Zwei weitere Aufsätze stellen zwei große neue Forschungssammlungen an Beiträgen vor. Das Informationssystem zu Auktions-Einlieferungen (ISAE) sammelt an den digitalisierten historischen Auktionskatalogen der „German Sales“ wissenschaftliche Beiträge zur Identifizierung der Einliefernden, ein nachhaltiger Fundus für Sammlungs-, Provenienz- und Kunstmarktforschung. Hier zeigt ein Beitrag von 2020 zu einer Person beispielhaft die Bedingungen bei Chiffrierung und späterer Entschlüsselung der Auktionseinlieferung.
Einen prosopographischen Ansatz verfolgt das Repertorium der Akteure auf dem französischen Kunstmarkt der Besatzungszeit (RAMA). In zweisprachiger Edition werden Beteiligte des Kunsthandels vorgestellt, um die Mechanismen des Marktes weiter erschließen, beschreiben und analysieren zu können. Dazu zeigt das Beispiel Langes, verfasst 2021, dass dessen Geschäfte weitgehend nur typologisch erschlossen werden können, da noch immer hinreichend genaue Daten fehlen.
Einen ersten Einblick in ein laufendes Untersuchungsthema bietet ein überarbeitetes Vortragsskript von 2021. Es geht der Frage nach, was und wie kommunale Museen in diesem Berliner Auktionshaus einkauften. Im Gegensatz zu heute, wo sie als Auktionskunden kaum noch erscheinen, stiegen für die Kommunen in der Kriegswirtschaft ihre Einnahmen nach Gewerbesteuern und, angefacht von Lokalstolz und Ideologie- wie Geschmackswandel, ihre kulturellen Ambitionen städtischer Repräsentation.
Die jüngste Arbeit von 2022, soeben erschienen, ist eine detaillierte Studie als Ergebnis einer seriellen Untersuchung von Quellenbeständen zu einer niederländischen Kunsthandlung. Sie fächert die Strategien des Protagonisten Alois Miedl auf, der nach Zerschlagung der Galerie Jacques Goudstikkers in Amsterdam den Handelsteil an sich brachte. In kürzester Zeit akquirierte Miedl vor allem Gemälde aus verschiedensten Bezugsquellen, die er gezielt über ein Targeting des finanziell mächtigsten Kunden, das geplante „Führermuseum“ in Linz, und folgend einen Massenabsatz über acht Auktionen auf dem deutschen Kunstmarkt zu Spekulationszwecken wieder absetzte.
Zwecks Übersicht sind der detaillierten Studie jeweils Ende 2022 Kommentare zu den Auktionen beigegeben worden, die Miedl belieferte. Sie erweitern mit neuen Beispielen das Handelsspektrum und kommentieren auch zwei weitere Auktionen, in denen Erwerbungen Miedls aus dem Überhang abgesetzt wurden.
Der Grundfrage „Woher und wohin, wann und warum?“ geht 2023 ein chronologischer Bericht nach, der die ‘Rundreise’ eines Altmeistergemäldes von 1924 bis 1951 illustriert. Anhand der Papierspuren lassen sich die Handelnden bestimmen, ihre Absichten und Intentionen erkennen und wer sich weshalb in Kriegs- und Nachkriegszeiten ermächtigt sah, über das Objekt zu verfügen.