Auktionenreihe Miedls

Einlieferungen der Firma Goudstikker-Miedl in zwölf Auktionen 1940/1941

Logo Texte zum Kunsthandel 1933-1945 Caroline FlickDer umfänglichen Untersuchung der Handelsstrategien der Firma Goudstikker-Miedl ist hier die Auktionenreihe noch einmal zur Seite gestellt. Sie stellte das Standbein der Vermarktung dar, und lief unter variierenden Auftraggebernamen, die mit Annotationen im Informationssystem zu Auktions-Einlieferungen (ISAE) versehen wurden.

Bei der Zerschlagung der niederländischen Kunsthandlung Jacques Goudstikkers (1897-1940) eignete Hermann Göring sich den größten Teil derer Kunstwerke an, während der Bankier Alois Miedl (1903-1970) Namen, Häuser und Handelsinventar nominell ‘kaufte’. Miedl entfaltete eine rege Einkaufstätigkeit und gab, um seine Investitionen zu refinanzieren, über Mittelsfirmen fast 900 Objekte (ohne Kunstgewerbe) an verschiedenen Orten in deutsche Auktionen.

Diese Auktionenreihe begann im Oktober 1940 und erreichte im Juni 1941 einen ersten Abschluss. Dabei bediente sie die Kunsthandelsplätze Berlin, München, Köln und Frankfurt a.M., wo die Einlieferungen veräußert wurden. Je nach Gepflogenheiten der beauftragten Häuser erfolgte dies unter verschiedenen Chiffren. In den jeweiligen Annotationen erweitern neue Beispiele das bereits dargestellte Spektrum der Handelspraxis.

Schleppe

Aufträge dieser Größenordnungen zogen zwangsläufig eine Schleppe nach sich. Sie bestand zum einen aus nicht verkauften, doch nicht zurückgesandten Objekten, deckte zum anderen weitere Akquise ab, die im ersten Zug nicht liquidiert werden konnte.

Im Oktober 1941 kamen, wie aus Korrespondenz erschließbar, nach Abschluss der eigentlichen Kampagne bei Heinrich Hahn in Frankfurt a.M. weitere Gemälde zum Angebot. Offensichtlich per Mittelsmann verkaufte Miedl dabei seine eigenen Frühkäufe. Vor dem ‘Aufkauf’ der Handlung Goudstikker hatte er sie durch Agenten vermutlich Privatleuten abkaufen lassen. Möglicherweise außerhalb der Firma, auf eigene Rechnung geführt, wurden sie erst nach Kampagnenschluss veräußert. Obwohl mehrere von ihm hier angebotene Gemälde erst jüngst im Handel erschienen, gelang es keinem, Alois Miedls Beteiligung am Handelsweg dieser Objekte aufzudecken.

Einen kleineren Anteil, in Berlin erst Mitte 1942 angeboten, verkaufte nun Miedls vormalige Kreditgeberin, die Schantung Handels AG bei Hans W. Lange. Es handelte sich um Erstkäufe, die Miedl für ein anfänglich breiteres Handelsprofil Anfang 1940 getätigt hatte. Die Handelsgesellschaft, die sie als Agentin Miedls auch ersteigert hatte, verkaufte sie nun, neu aufgeteilt, im eigenen Namen. Im Auktionshaus handelte es sich um Wiederholungen, weil Miedl die Stücke schon dort hatte kaufen lassen. Bei gestiegener Nachfrage konnten sie 1942 teils zu deutlich höheren Preisen zugeschlagen werden als sie Miedl zuvor zahlte.

Unerkennbar?

Ein Überhang kann jedoch auch in Form einer Einzeleinlieferung weit später erscheinen. Untersuchungen von Dr. Christoper Galler und Dr. Markus Kenzler zeigten, dass ein Renaissance-Schrank, den Hans W. Lange im April 1943 im Nachverkauf veräußerte, diesen Weg zurücklegte.

Von Miedl im Zuge der Kampagne Ende 1940 schon einmal in diesem Auktionshaus angeboten, blieb der große Schrank ohne Gebot. Die Handelsgesellschaft übernahm ihn von Miedl. Er blieb in Berlin stehen und Lange versuchte ihn zu einem höheren Preis zu verkaufen, den er wegen Restaurierungen am Stück nicht durchsetzen konnte. Ende 1942 stimmte die Schantung AG einer Versteigerung zu. Im April 1943 erschien er in der Auktion als Einzelbeitrag des Einlieferers „114. Berlin“.

Für solche Einzeleinlieferungen gibt es für gewöhnlich kaum Möglichkeiten, Herkünfte aufzudecken. Zudem schwinden in dieser Hochchiffrierphase jegliche Indizien sonstiger Bezeichnungen. Solcherlei Streuungen aus Überhängen sind höchst plausibel und nur in Sonderfällen entschlüsselbar. Spätere Beiträge aus Überhängen können hier demnach auch für die weiteren an der Kampagne beteiligten Auktionshäuser erwartet, bislang aber nicht nachgewiesen werden.

Dieser Renaissance-Schrank wurde auch 1943 nach Aufruf nicht verkauft, erst danach von einem Museum im Nachverkauf erstanden. Von der Provenienzforschung identifiziert, aus dem Bestand Jacques Goudstikker stammend, wurde er 2018 restituiert und zurückgekauft.

Noch eine Datensammlung

Erst später entdeckt, finden sich auch im Projekt „Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ (ERR Project) 1.273 Einträge zu Jacques Goudstikker hinterlegt. Offenbar eine frühe Sammlung, haben die Quellenangaben eine vorläufige oder veraltete Form, die sich kaum nachvollziehen lässt. Dass als Grundlage das „Blackbook“, Goudstikkers Bestandsverzeichnis, diente, widerspricht der Aufnahme diverser Objekte aus dem Bestand der Nachfolgefirma, die erst Miedl akquirierte.

Zudem wurde für 1.230 der Einträge ein Weg von Miedl 1940 zu Hans W. Lange 1943 unterlegt. Das widerspricht schon jeder Augenscheinseinnahme, ist etwa ein Direktverkauf an die Reichskanzlei für die geplanten Linzer Sammlungen ignoriert. Übergaben der Firma Goudstikker-Miedl an die Finanzinstitute zwecks Verwertung und demzufolge die Auktionen der weiteren beteiligten Häuser erscheinen nicht.

Diese Kompilation kann konsultiert, jedoch nicht als Beleg oder forschungsleitende Quelle angesehen werden. Sie muss aufgearbeitet oder gänzlich eingestellt, mindestens aber unübersehbar per Datierung der Stand deklariert werden.

Einliefererchiffren

Die Reihe der Chiffren veranschaulicht, welch variable Bezeichnung für einen gleichen Auftraggeber erscheinen können. Die Chiffrierung folgt nicht nur je den Usancen des Versteigerers, wo sie Nummern, Kürzel und Orte in diversen Kombinationen aufweist, sondern variiert auch innerhalb der Auktionsfirmen. Erst spätere Varianten geben hier veränderte Auftragskonstruktionen wieder.

Auktion Frederik Muller, Amsterdam 08.-09.10.1940, Einlieferung „collectie van wijlen J. Goudstikker“

Auktion Lange, Berlin 18.-19.10.1940 Einlieferung „D.L.B., Berlin“

Auktion Lange, Berlin 18.10.1940, Einlieferung „L.B., Berlin“

Auktion Lange, Berlin 03.-04.12.1940, Einlieferung „Berliner Bankhaus“

Auktion Weinmüller, München 30.01.1941, Einlieferung „B. 15“ und „B. 26“

Auktion Lempertz, Köln 05.02.1941, Einlieferung „Berliner Bankhaus“

Auktion Hahn, Frankfurt a.M. 06.-07.3.1941, Einlieferung „D.B.I.“

Auktion Lange, Berlin 12.03.1941, Einlieferung „L.V.B.“

Auktion Achenbach, Berlin 02.04.1941, Einlieferung „W. München“

Auktion Lempertz, Köln 14.06.1941, Einlieferung „1.“

Auktion Hahn, Frankfurt 28.-29.10.1941, Einlieferung „706 W. Sch.“

Auktion Lange, Berlin 12.-13.05.1942, Einlieferung „Sch. A.G., Berlin“

Ich danke Dr. Hanna Strzoda für die kritische Durchsicht.

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