H.C. Krüger als Einlieferer

Januar 2020
Hans Carl Krüger, Berlin (Einlieferung „Kr., Berlin“), Auktion Lange 13.05.1942

Logo Texte zum Kunsthandel 1933-1945 Caroline FlickMitte 2019 brachten Dr. Hanna Strzoda, Berlin, und Dr. Maria Effinger, Heidelberg, eine neue Idee auf den Weg: Das Informationssystem zu Auktions-Einlieferungen (ISAE). An den digitalisierten historischen Auktionskatalogen der „German Sales“ können Autor:innen wissenschaftliche Beiträge zur Identifizierung der Einliefernden nachhaltig anlagern. Diese Möglichkeit, Forschungsergebnisse zu hinterlegen, zitierfähig und dauerhaft, kann inzwischen über hundert Einträge verzeichnen, die für die Forschungsgemeinschaft von dauerhaftem Nutzen sind.

Der hier exemplarisch vorgestellte Beitrag nutzt dieses Informationssystem, weil seine Erkenntnisse zwar einer Person gelten, aber deren Auftritt als Einlieferer betreffen. Sie zeigen also die Person, mehr aber die Bedingungen bei Chiffrierung und Entschlüsselung dieser Funktion.

Hans Carl Krüger

Der Kunsthändler Hans Carl Krüger (1870-1949) war seit 1916 Mitinhaber von „Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus“, nach der „Arisierung“ dessen alleiniger Inhaber. In der NS-Zeit versteigerte die Firma Lepke Kulturgüter von Verfolgten und Emigranten; Krüger war für Devisenstellen als Sachverständiger für Kunstgut im Auftrag des Reichspropagandaministeriums tätig. Ende 1938 stellte er die Auktionen ein und war weiter noch als Kunsthändler tätig.

Auktionseinlieferung Mai 1942

Krüger lieferte 20 Malerwerke in eine Auktion bei Hans W. Lange in Berlin ein, darunter neun Werke des Künstlers Carl Blechen. Der Verfasser des Werkverzeichnisses, Paul Ortwin Rave (1893-1962) kannte 1940 davon sechs Stücke als Besitz Krügers. Diese Nachweise zitierte der Auktionskatalog als Qualitätsausweis, der Krüger für die eingelieferten Werke insgesamt von geschätzten knapp RM 90.000 gut RM 150.000 einbrachte*. Das verdankte sich der aktuellen Nachfrage: Die Kunsthändlerin Maria Almas Dietrich (1892-1971) musste für ein Gemälde von Blechen mehr als das Dreifache aufbringen, um es für das „Führermuseum“ in Linz zu ersteigern.

Indirekt sprechende Chiffre

Die Versteigerer-Vorschriften von 1934 verlangten für die Kataloge, „die Namen sämtlicher Besitzer … oder auf Verlangen der Auftraggeber für seinen Namen ein Deckwort oder ein[en] Buchstabe[n]“ anzugeben. In der Folge wurden Chiffren mindestens in Kunstversteigerungen zur üblichen Kennzeichnung, gebildet je nach Usancen des jeweiligen Versteigerungshauses.

Dabei entstanden „sprechende Chiffren“, die mit Angaben kamen, die – etwa Ortsangaben in Verbindung mit Initialen – zum Wissen der Rezipienten gehörten und unmittelbar verstanden werden konnten. Hier aber handelte es sich um eine „indirekt sprechende Chiffre“, die Interessierte mittels eigener Tätigkeit auflösen konnten, indem sie den angeführten Nachweisen nachgingen, wie es im Beispiel das Werkverzeichnis Raves ermöglichte.

Provenienzen?

Hans Carl Krüger besaß eine – weitgehend unbekannte – private Sammlung. Doch für Händler muss diese volatil sein und sein Besitz an Werken des von ihm geschätzten Malers Carl Blechen (1798-1840) war eindeutig veränderlich.

Als Auktionator, der zahlreiche Wohnungsauflösungen durchführte, wie als Gutachter für Devisenstellen verfügte Krüger durch solche Erstsichtungen über privilegierte Möglichkeiten, für Sammlung oder Handel interessante Kunstobjekte an sich zu bringen. Privatsammlung oder nicht, ist bei Einlieferern mit solchen Funktionen stets nach den Vorprovenienzen zu fragen.

Insofern reißt die Aufschlüsselung dieser Chiffre nur das nächste Problemfeld auf: Sie vermag zwar den Auftraggeber zur Auktion zu benennen, kann aber die Herkunft der Stücke nicht klären.

Ermittlung nach 1945

Die Treuhandverwaltung Kulturgut führte ab 1949 im Central Collecting Point München die Nachforschungen zu den verbliebenen Objekten fort. Die zuständigen Kunsthistorikerinnen holten zu diesen Kunstgütern Auskünfte von Experten und anderen Händlern an.

Anfragen und Antworten waren von sekundären Motiven beeinflusst. Der Treuhandverwaltung lag am Nachweis, dass die Objekte aus dem Deutschen Reich stammten und nicht in die Äußere Restitution gingen. Die Korrespondenten erhofften sich hier Vermittlungsaufträge oder Rückerstattungen vermeintlicher Leihgaben.

Dabei verwandelte sich 1951 die Katalogchiffre „Kr., Berlin“ in die Bezeichnung „langjährige Sammlung Krüger“. Man dehnte sie auf die übrigen im Mai 1942 versteigerten Gemälde aus und prägte ein bequemes Bild, das nach Vorprovenienzen nicht zu fragen brauchte.

Bausteine

Der Beitrag zur Chiffre „Kr., Berlin“ versucht diese diversen Aspekte anschaulich zu machen: die Konstruktion und Funktion dieser Chiffre, ihren Gehalt und ihre Nachwirkung. Auch ohne die erkenntnisleitende Frage nach möglichem Raubgut abschließend beantworten zu können.

In den Diskussionen um die Ausgestaltung des Informationssystems war die umfangreiche Fassung eines Beitrags zugunsten grundsätzlicher Fragen nicht unumstritten.

Es handelt sich m.E. jedoch um eine außerordentliche Stärke dieser Idee, dass sie vom „educated guess“ nach begründeten Annahmen bis zur Grundlagenerörterung alle wissenschaftlichen Formen** einzubinden vermag. So entsteht ein Fundus, offen, suchbar und nachhaltig, der Bausteine für Sammlungs-, Provenienz- und Kunstmarktforschung liefert.

Ich danke Dr. Hanna Strzoda, Berlin, für die kritische Lektüre des Beitrags.

Link: Hans Carl Krüger, (Einlieferung „Kr., Berlin“), Auktion Hans W. Lange 12.-13.5.1942, Informationssystem zu Auktions-Einlieferungen (ISAE), Heidelberg 20.01.2020

*Da dem digitalisierten Katalogexemplar diese Tafeln fehlen, Abbildungen für einige der Objekte:
Carl Blechen, Mühlental von Amalfi
Central Collecting Point mue 3612 – Kunstverwaltung Bund (2021)
Carl Blechen, Landstraße im Winter
Central Collecting Point mue 1719 – Kunstverwaltung Bund (2001)
Wilhelm Brücke, Römischer Palasthof
Central Collecting Point mue 13281 – Kunstverwaltung Bund (2010)
Carl von Heideck, Bayerische Landschaft
Central Collecting Point mue 3841 – Kunstverwaltung Bund (2010)
Ferdinand Olivier, Gang nach Emmaus
Central Collecting Point mue 2611 f. – Kunstverwaltung Bund (2010)

**Beispiel für einen ‚Beifang‘, hier ein Fundstück ohne eigene Akte: Alois Täuber (Einlieferung „T.“), Auktion Lepke 1./2.11.1935, Informationssystem zu Auktions-Einlieferungen (ISAE), Heidelberg 15.01.2020

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