Lange in Frankreich

Dezember 2021
Geschäfte Hans W. Langes im besetzten Frankreich

Logo Texte zum Kunsthandel 1933-1945 Caroline FlickSeit Ende 2021 steht beim Institut national d’histoire de l’art das Repertorium der Akteure des französischen Kunstmarkts während der deutschen Besatzung (RAMA) zur Verfügung, das Dr. Ines Rotermund-Reynard und Dr. Elisabeth Furtwängler betreuen, mit ihren Kolleg:innen zweisprachig editieren und mit über 150 biographischen Artikeln bestückt haben.

Lücken

Einkäufe des Berliner Kunsthändlers und Auktionators Hans W. Lange (1904-1945) in Frankreich sind gewiss, doch kaum exakt nachweisbar. Es fehlt zum einen an Geschäftsunterlagen der Firma, die im November 1943 verbrannten, zum anderen an Gegenüberlieferungen seiner französischen Verkäufer und insgesamt an behördlichen Dokumenten, die beide Staaten im streng regulierten Kunsthandel verlangten.

Deshalb können Langes Akquisen nur typologisch vorgestellt werden. Auffällig ist, dass Objekte, die in seinen Auktionen eine französische Herkunft demonstrativ annoncierten, von Dritten eingebracht wurden. Im Gegenzug finden sich unter den nach Frankreich restituierten, heute 14 Objekten der Musée Nationaux Récupération (MNR) bei genauer Betrachtung nur zwei (!), die Lange tatsächlich selbst kaufte. Dem entspricht, dass er nach den nur fragmentarisch überlieferten Anträgen auf Devisen zwar mehr als die Händlerin Maria Almas Dietrich* in Frankreich umsetzte, beide aber nur einen Bruchteil von Großkäufern wie Hildebrand Gurlitt.

Alltags- und Auftragsgeschäft

Bei seinen Reisen, zuerst 1941 und auch als Soldat der Wehrmacht ihm ab 1943 noch möglich, kaufte Lange vor Ort Antiquitäten ein. Bei einem Besuch bei Albert Loevenich von 1944 suchte er zahlreiche Porzellane aus, um inklusive zweier Gemälde fast F 450.000 auszugeben. Die Kunstgegenstände sind nur generisch mit „Berliner Vase“ oder „Höchster Teekanne“ bezeichnet, so dass sie nicht zu identifizieren sein werden.

Mit Einkäufen solcher Art wurde das Alltagsgeschäft belebt, um die Suche nach Spezialitäten praktisch lohnenswert zu machen. Kenntlich wird, dass der Handel trotz der Auflagen und Devisenbeschränkungen blühte: Obwohl Lange nur etwa F 250.000 direkt zahlen konnte, verkaufte ihm Loevenich auf Zusage gar ein teures Gemälde noch zusätzlich.

Das Antragswesen beförderte dabei Kooperationen jeder Art. 1941 kaufte Lange offenbar in Metageschäften mit einem Verleger, seinerseits auf französische Impressionisten spezialisiert, drei Gemälde von Corot, Pissarro, Renoir bei Raphael Gerard. Eines später aus seiner Auslagerung aufgebracht, waren sie vermutlich für von Kunden nachgefragt oder von ihm ‚zum eigenen Gebrauch‘ gedacht.

Kooperationen – und Kumpanei?

Dienstfahrten und Arbeitsurlaube verschafften Lange die Gelegenheit, mit Kollegen Hinweise, Vermittlung oder Abschlüsse zu tauschen. Umgekehrt tätigten andere bei Unabkömmlichkeit für ihn Ankäufe, so etwa der in den Niederlanden angesiedelte Erhard Göpel (1906-1966) bei einer seiner Reisen 1944.

Nachweislich kaufte Lange in Paris bei heute einschlägig bekannten Kunsthändlern wie Cornelius Postma, Gustav Rochlitz, Albert Loevenich ein. Sie gehörten nicht zum alteingesessenen Kunsthandel, sondern waren quasi ‚Zuwanderer‘ und Profiteure der Besatzung. Aber auch deutschen Händlern wie Walter Andreas Hofer und Walter Bornheim kaufte er Importe aus Frankreich ab. Bei zwei Objekten von Postma handelte es sich um Raubkunst, während das für weitere mangels Daten noch nicht geklärt ist.

Aus den Kooperationen entwickelten sich ausgefeilte Pläne. Lange bot dem „Sonderbeauftragten“ Hermann Voss für das geplante Museum in Linz im Juli 1944 zwei Gegenstücke an, Stillleben von Jean-Étienne Liotard. Eines stammte von dem bereits in Theresienstadt ermordeten Sammler Fritz B. Gutmann (1886-1944). Beim zweiten handelte es sich um ein gefälschtes Pendant, auf passendes Maß gebracht, wobei in den Verkauf durch Postma Bruno Lohse und Hans Bammann involviert sein sollten. Wer immer konzipierte und ausführte: Dass Lange die Werke so anbot und Hermann Voss sie nach Ansicht sofort akzeptierte, obgleich beiden die Umarbeitung nicht entgangen sein kann, illustriert allseitige Komplizenschaft im Handel mit Raubgut.

Einstandspreise für angebotene Werke waren dem „Sonderauftrag“ durchaus bekannt und er honorierte die Beschaffung bewusst mit außerordentlichen Gewinnspannen. Rücksichten auf Exportverbote, fragliche Herkünfte oder fragwürdige Authentifizierungen galten nicht mehr.

Bei den hier exemplarisch ersichtlichen Lücken der Überlieferungen bietet der prosopographische Ansatz des Repertoriums große Chancen, die Mechanismen und Möglichkeiten des Kunsthandels unter Besatzung weiter erschließen, beschreiben und analysieren zu können.

Mit Dank an Dr. Nadine Bauer, Dr. Heidi Gansohr-Meinel, Dr. Christopher Galler für Hinweise.

Link: Lange Hans W. Répertoire des acteurs du marché de l’art en France sous l’occupation allemande 1940–1945 (RAMA), 10.11.2021

*Verlinkt sind die Beiträge zu den jeweiligen Akteuren von:
Nadine Bauer (Almas), Meike Hoffmann (Gurlitt), Anja Ebert (Loevenich), Gitta Ho (Gerard), Hanns Christian Löhr (Hofer, Lohse), Kim Bures-Kremser (Bornheim), Birgit Schwarz (Voss), Heidi Gansohr und Jasmin Hartmann (Bammann)

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